Das waren zwei spannende Tage Anfang Oktober: 400.000 Einwohner, 22 Bürgerinnen und Bürger, ein Thema "Schulen für die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit". Es ist der mittlerweile der 15. BürgerInnenrat in Vorarlberg, bei dem sich zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger intensiv mit einem Thema beschäftigten. Der BürgerInnenrat hat sich als Instrument der Bürgerbeteiligung seit der Premiere im Jahr 2006 bestens bewährt. Seit der partizipative Ansatz 2013 in die Landesverfassung übernommen wurde, kann dieses direkte demokratische Beteiligungsformat auch von der Bevölkerung initiiert werden. Alles was es dafür braucht, sind 1.000 Unterschriften. Seit 2013 ist dies nun der 6. BürgerInnenrat, der von der Bevölkerung angestoßen wurde.
Anfang August wurden durch die Landesregierung die Einladungen zur Teilnahme am BürgerInnenrat an 660 zufällig ausgewählte Vorarlbergerinnen und Vorarlberger verschickt, die Daten (Alter, Geschlecht und Wohnort) wurden dem Melderegister entnommen; das Ziel ist die Abbildung der Vorarlberger Gesellschaft. Von Freitagmittag bis Samstagabend trafen sich nun 22 Bürgerinnen im Seminarhaus Arbogast/Götzis um sich die beiden Fragestellungen „Was brauchen wir heute von der Schule? Wie können wir gemeinsam positive Veränderungen unterstützen?“ zu widmen. Die Altersspanne der Anwesenden reichte von 20 bis Mitte Sechzig, es waren 4 Männer und 18 Frauen dabei. Da die Teilnahme freiwillig ist, waren Lehrer/innen und StudentInnen überrepräsentiert.
Im Vorfeld wurden Interviews mit der Initiativgruppe (Landeselternverband Vorarlberg) geführt, eine Studie durch eine Hochschule durchgeführt, zudem fanden an 4 Schulen Workshops zum Thema statt und den Abschluss bildete eine Onlinebefragung.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden Sie über die Ergebnisse der Aktivitäten im Vorfeld durch 3 Mails informiert, doch es muss darauf geachtet werden, dass jeder in der Gewissheit zum Bürgerinnenrat kommt, dass er mit seinem Wissen, das er aus seinem Alltag hat, wichtig ist und hier am richten Platz ist. Daher gilt es nicht zu viel akademischen Input im Vorfeld zu geben, denn das könnte auch Abschrecken.
Die Methode mit der das Format BürgerInnenrat in Vorarlberg moderiert wird, ist Dynamic Facilitation. Dazu gab es 4 Runden je 1 Stunde. Nach diesen vier Stunden wurde dann ein von allen getragenes, gemeinsames Statement verfasst. Die Ergebnisse sind gebündelt in den fünf Themenfeldern „Gesellschaftliche Verantwortung“, „Politik & Rahmenbedingungen“, „Lehrberufe und Ausbildung“, „Kinder und Jugendliche“ und „Bildungsauftrag/Kompetenzen“.
Zwei Wochen später nun stellten die TeilnehmerInnen Ihre eigenen Ergebnisse im Rahmen eines Bürger-Cafés der Politik und der Öffentlichkeit sowie Vertretern der Verwaltung, Gemeinde, Politik und relevanten Institutionen vor. Dort wurden diese nochmals mit allen Anwesenden (die Veranstalter rechnen mit ca. 100 Personen) in einem „World Cafe“ diskutiert, um noch weitere Ergänzungen zu machen und das Bild abzurunden.
In einer Abschlusssitzung der "Resonanzgruppe" (Strategiegruppe, die sich aus betroffenen VertreterInnen aus Politik, Verwaltung etc. zusammensetzt), werden die Vorschläge des Bürgerinnenrats auf die konkrete Umsetzung geprüft und weiterführende Maßnahmen eingeleitet. Die Teilnehmenden des BürgerInnenrats erhalten eine schriftliche Rückmeldung, wie die Ergebnisse verwertet werden.
Mein eigenes Fazit: Es war wirklich spannend und bereichernd, diesem Prozess beizuwohnen. Nicht nur, dass es ein wirklich disziplinierter Austausch von Argumenten, von Sichtweisen und von Erfahrungen zwischen den Beteiligten war, es war auch der unbedingte Wille des Zuhörens und des verstehenwollens spürbar. Die Teilnehmenden waren sich Ihrer Aufgabe und auch Ihrer Verantwortung bewusst, dass Sie die Bevölkerung repräsentieren. Sich für die Demokratie zu engagieren, das spürte man, war für viele auch Verpflichtung.
Autor des Artikels:
Sandra Siebenhüter, Neuburg/Donau